Justizwillkür bei Zuerkennung der Privatklägerschaft

Von Alexander Müller veröffentlicht am 1. Februar 2015 | 2.257 mal gesehen

Im Kanton St. Gallen wollte ein eingebürgerter Schweizer türkischer Herkunft eine seiner Wohnungen nicht an Schweizer vermieten. Er gab deshalb die folgende Anzeige im Rheintaler Boten auf. Auf dieser Anzeige stand unmissverständlich „keine CH“.

Rheintaler Bote vom 4. September 2013, Seite 7
Rheintaler Bote vom 4. September 2013, Seite 7

Ich reichte daraufhin eine Strafanzeige bei der St. Galler Staatsanwaltschaft ein. Kurze Zeit danach reichte ein weiterer Schweizer eine Strafanzeige bei der St. Galler Staatsanwaltschaft ein. Die St. Galler Staatsanwaltschaft wollte uns die Privatklägerschaft zunächst verweigern, da wir nicht unmittelbar von der Anzeige betroffen seien. Aufgrund meiner Intervention erteilte sie uns die Privatklägerschaft dann aber doch.

Die St. Galler Staatsanwaltschaft stellte dann aber das Verfahren ein ohne vorher korrekt ermittelt zu haben. Ich habe darüber hier berichtet. Gegen die ungerechtfertigte Einstellung der St. Galler Staatsanwaltschaft reichten sowohl der andere Kläger als auch ich eine Beschwerde bei der St. Galler Anklagekammer ein. Der andere Kläger argumentierte in seiner Beschwerde, dass gemäss einem Gerichtsurteil „keine Muslime“ strafbar sei und dass dies also auch für „keine Schweizer“ gelten müsse. Ich argumentierte in meiner Beschwerde, dass das Verfahren nicht korrekt durchgeführt wurde und der Sachverhalt unrichtig festgestellt wurde.

Nun habe ich vom anderen Kläger erfahren, dass seine Beschwerde abgewiesen wurde. Die St. Galler Anklagekammer hat ihm offenbar die Privatklägerschaft abgesprochen. Dies gemäss Auskunft des Betroffenen mit folgenden Worten:

Der Beschwerdeführer hat sich nie aktenkundig um die ausgeschriebene Wohnung (nur an CH-Mieter) beworben.

Offenbar hat sich die Anklagekammer geschickt um einen materiellen Entscheid gedrückt indem sie dem Kläger die Privatklägerschaft verweigert hat. Das ist ein formaljuristischer Entscheid, mit welchem ein materieller Entscheid vermieden wurde. Es ist ein formaljuristischer Winkelzug, wie er gerne von Winkeladvokaten verwendet wird. Bei einem materiellen Entscheid würde über die Sache selbst geurteilt. Beim formellen Entscheid ging es jedoch nur um die Frage ob der Kläger überhaupt das Recht hat zu klagen. Das hat er nur wenn er als Privatkläger anerkannt wird. Wie ungerecht dieser Entscheid ist, legt ein anderer Fall dar, bei dem die Richter komplett anders entschieden haben.

Im Fall um den sogenannten „Kristallnacht-Tweet“ wurde zwei Türken die Privatklägerschaft zugesprochen obwohl im beanstandeten Tweet weder das Wort „Türken“, noch „Muslime“ vorkommt. Darüber habe ich hier berichtet.

Die Willkür bei der Zuerkennung der Privatklägerschaft legt dar, wie ungerecht es im Rechtsstaat Schweiz zu und her geht. Während Schweizern bei einem Inserat, in welchem „Schweizer“ diskriminiert werden, die Privatklägerschaft verweigert wird, wird sie Türken für einen Tweet, in welchem weder Türken noch Muslime erwähnt werden, gewährt.