War die Kristallnacht ein Völkermord?

Von Alexander Müller veröffentlicht am 13. November 2015 | 2.255 mal gesehen

Die Reichskristallnacht wird auch als Reichspogromnacht bezeichnet. Deshalb stelle ich mir gerade die Frage ob sie, wie die Bezeichnung Reichspogromnacht andeutet, ein Pogrom war oder ob sie ein Völkermord bzw Genozid war. Letzteres ist so wie es Schweizer Richter sehen wollen. Diesen zufolge ist es nämlich möglich mit einem Tweet, in welchem das Wort „Kristallnacht“ vorkommt, den Holocaust zu legitimieren. Dies selbstverständlich ohne Berücksichtigung des Kontexts, in welchem der Tweet geäussert wurde.

Ist die Reichskristallnacht mit dem Holocaust identisch?

Meiner Erfahrung nach verwechseln in der Schweiz viele Leute und insbesondere Richter die Reichspogromnacht von 1938 mit dem Holocaust. Es ist jedoch nicht dasselbe. Die Reichskristallnacht ereignete sich im November 1938 und der Holocaust begann nach der vorherrschenden wissenschaftlichen Lehre mit dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941. An der Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 wurde schliesslich die Organisation der Deportationen von Juden in Konzentrationslager und deren systematische Vernichtung beschlossen. Der Holocaust, der allgemein als Völkermord gilt, ist nicht dasselbe wie die Reichskristallnacht! Darin sind sich alle einig, die etwas von Geschichte verstehen.

Die Novemberpogrome, wie die Reichskristallnacht bzw. die Reichspogromnacht auch genannt wird, folgten auf die Ermordung des deutschen Diplomaten Ernst Eduard von Rath in Paris. Dieser wurde am 7. November 1938 vom Juden Herschel Feibel Grynszpan mit fünf Schüssen niedergestreckt. Er verstarb am 9. November 1938 an den Folgen seiner Verletzungen.

Links im Bild der Täter, der Jude Herschel Feibel Grynszpan. Rechts im Bild das Opfer, Ernst Eduard von Rath
Links im Bild der Täter, der Jude Herschel Feibel Grynszpan. Rechts im Bild das Opfer, Ernst Eduard von Rath
Damalige deutsche Zeitung berichtet über spontanen Shitstorm empörter Menschen.
Damalige deutsche Zeitung (Lügenpresse?) berichtet über spontanen Shitstorm empörter Menschen.

Gemäss einem Schreiben von Reinhard Heydrich vom 11. November 1938 an Hermann Göring gab es in der Reichspogromnacht 36 Tote. Heydrich war zu jener Zeit der Chef der damaligen Sicherheitspolizei. Diese setzte sich aus der politischen Polizei und dem Kriminaldienst zusammen. Einer Quelle im Internet zufolge soll selbst das Simon Wiesenthal Center in einer Gedenkschrift zum 50. Jahrestag der Pogromnacht angegeben haben, dass 36 Juden getötet wurden. Ein Geheimbericht des obersten Parteigerichts der NSDAP revidierte die Zahl jedoch. Laut diesem Bericht hatte die Reichspogromnacht 91 Tote und 267 zerstörte Synagogen zur Folge. Die heutige Forschung geht laut ihren Schätzungen jedoch von 400 Toten und 1400 zerstörten Synagogen aus. Die angegeben Zahlen der verschiedenen Quellen aus verschiedenen Zeitperioden varieren also von 36-400 wobei die älteste Quelle von 36 Toten spricht und die Zahl 400 auf Schätzungen und Mutmassungen in jüngerer Zeit beruht.

War die Reichspogromnacht nun ein Völkermord?

Laut dem „Übereinkommen vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ wird Völkermord wie folgt definiert:

  • Art. II
    In dieser Konvention bedeutet Völkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:
  • a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
    b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
    c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
    d) Verhängung von Massnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
    e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

Bei der Frage ob die Reichspogromnacht als Völkermord bezeichnet werden kann, muss meiner Meinung nach auch das Urteil des EGMR in Sachen Perincek in Betracht gezogen werden. Der Türke Dogu Perincek wurde in der Schweiz wegen Verstosses gegen das Schweizer Antirassismusgesetz verurteilt, weil er den Völkermord an den Armeniern in Abrede gestellt hat. Beim Völkermord an den Armeniern geht die Forschung nach Schätzungen von 80’000-1’500’000 ermordeten Armeniern aus. Trotzdem hob der EGMR das Urteil der Schweizer Gesinnungsjustiz auf, da es ihm zufolge nicht Sache von Richtern ist über historische Ereignisse zu befinden. Beide Kammern des EGMR betrachten die Verurteilung Perinceks in der Schweiz als menschenrechtswidrig und als Verstoss gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Meint ihr, dass der EGMR anders entschieden hätte, wenn es um Juden gegangen wäre?

Dann gibt es noch das Attentat von Luxor, da wurden 36 Schweizer getötet. War das Völkermord?

Attentat von Luxor ein Völkermord?

War das Ereignis, welches im Jahr 2001 mit der Bezeichnung 9/11 in die Geschichtsbücher einging und zu über 3000 Toten führte, ein Völkermord? War die Torpedierung des Flüchtlingsschiffs Wilhelm Gustloff ein Völkermord?  Es kamen über 9000 Deutsche beim Untergang ums Leben und die Versenkung des völlig überfüllten Flüchtlingsschiffs war nicht kriegsnotwendig. Die Mehrheit der Passagiere waren Verwundete, Frauen und Kinder.