Alfred Heer darf sich hinter Immunität verstecken

Von Alexander Müller veröffentlicht am 14. November 2012 | 5.982 mal gesehen

SVP-Nationalrat Alfred Heer darf sich dank seiner parlamentarischen Immunität der Strafverfolgung entziehen.

Der wegen Ras­sis­mus­ver­dacht ins Vi­sier der Staats­an­walt­schaft ge­ra­tene SV­P-Na­tio­nal­rat Al­fred Heer kann sich auf­grund sei­ner par­la­men­ta­ri­schen Immunität der Straf­ver­fol­gung ent­zie­hen. Dies ent­schied die Immunitätskommission des Na­tio­nal­rats, deren Präsident ein SV­P-­Mit­glied ist. Bri­sant, auch Al­fred Heer ist Mit­glied der Immunitätskommission. Ich erachte es als bedenklich, wenn jene, die Strafverschärfungen und härtere Gesetze fordern sich selber unter dem Vorwand der parlamentarischen Immunität der Strafverfolgung entziehen können.

Alfred Heer sagte am 16. September 2012 in einer Sendung von Tele Züri: «Gerade die jungen Nordafrikaner aus Tunesien kommen schon als Asylbewerber mit der Absicht, kriminell zu werden.» Die Zürcher Staatsanwaltschaft eröffnete deswegen gegen Alfred Heer ein Strafverfahren wegen Rassendiskrimierung.

Nun hat die Immunitätskommission des Nationalrats einstimmig entschieden, dass die parlamentarische Immunität von Alfred Heer nicht aufgehoben wird. Die Immunitätskommission begründete ihren Entscheid damit, dass die Aussage von Alfred Heer nicht so gravierend sei, dass das Interesse einer Strafverfolgung überwiegen würde. Die Kommission stufte das Interesse einer ungehinderten Ausübung des politischen Mandats von Alfred Heer als höher ein. SVP-Nationalrat Alfred Heer darf sich somit dank seiner parlamentarischen Immunität der Strafverfolgung entziehen.

Bei dieser Begründung werde ich den Verdacht nicht los, dass hier Nationalräte einen ihrer Kollegen gedeckt haben. Bei normalen Bürgern wäre das Strafverfahren fortgesetzt worden. Alfred Heer darf sich als Parlamentarier der Strafverfolgung entziehen. Dies obwohl die im Fernsehen ausgestrahlte Aussage eines Nationalrats mehr Gewicht hat als die eines einfachen Bürgers. Offensichtlich ist vor dem Gesetz nicht jeder gleich. Die Mächtigen decken sich gegenseitig.

Ob sich Alfred Heer der Rassendiskriminerung schuldig gemacht hat, bleibt somit juristisch ungeklärt. Offen bleibt auch, ob es zur Ausübung eines politischen Mandats gehört im Fernsehen Ausländer zu verunglimpfen.

Brisant ist, zwei von den neun Mitgliedern der Immunitätskommission sind Parteikollegen von Alfred Heer, eines davon ist sogar der Präsident der Immunitätskommission. Doch damit nicht genug! Alfred Heer ist sogar selbst Mitglied der Immunitätskommission! Ich hoffe, dass er wenigstens beim Fällen der Entscheidung in den Ausstand getreten ist. Doch selbst dann könnte er einen Einfluss auf die Kollegen in der Kommission ausgeübt haben. Fakt ist, Alfred Heer kennt die Kollegen der Immunitätskommission und wird weiterhin mit ihnen zusammenarbeiten. Er dürfte ihnen nun eine Gefälligkeit schuldig sein. Der Entscheid der Immunitätskommission wirft kein gutes Licht auf die Schweizer Politik.

Für jedes Kommissionsmitglied hat es einen Stellvertreter der eigenen Partei. Ein Stellvertreter ist unter anderem SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli.

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11 Gedanken zu „Alfred Heer darf sich hinter Immunität verstecken“

  1. Wie ich von Pierre Scyboz, dem Sekretär der Immunitätskommission erfahren habe, trat Heer bei der Abstimmung in den Ausstand. Er wurde durch die Aargauerin Sylvia Flückiger-Bäni von der SVP ersetzt.

    Wichtig ist einfach zu wissen, dass Heer strafrechtlich verfolgt worden wäre, wenn er nicht Bundesparlamentarier wäre. Ich gehe davon aus, dass er seine Beziehungen hat spielen lassen. Immerhin haben seine Kommissions-Kollegen über einen der ihren entschieden. Ob es zum Mandat eines Bundespolitikers gehört, dass er pauschal Menschen öffentlich aufgrund ihrer Herkunft verunglimpfen kann, mag ich ernsthaft zu bezweifeln.

    Einmal mehr zeigt sich, dass der Gleichstellungsartikel in der Bundesverfassung (BV Art. 8) ein frommer Wunsch ist. Denn vor dem Gesetz sind ganz offensichtlich nicht alle gleich. Jene, die zur gesetzgebenden Gewalt gehören, geniessen Sonderrechte. Der Schweizer Rechtsstaat verkommt mehr und mehr zur Farce. Wir sind vom Italien zur Regierungszeit von Berlusconi nicht mehr weit entfernt.

  2. Berlusconi hat natürlich schon noch wesentlich mehr ausgefressen als das dies Alfred Heer möglicherweise getan hat. Aber du hast natürlich vollkommen Recht, die Immunität für Parlamentarier gehört abgeschafft und widerspricht BV Artikel 8.

  3. Jonas, wir brauchen dringend ein Bundesverfassungsgericht, welches die Legislative endlich in die Schranken weist und die Bundesparlamentarier davon abhält gegen die Bundesverfassung zu verstossen. Wir müssen das Volk vor der Legislative schützen! Diese schanzt sich selbst viel zuviele Sonderrechte zu. Der Schweizer Rechtsstaat droht dadurch zur Farce zu verkommen.

  4. Das politische Immunität durchaus ihren Sinn hat weiss man nicht erst seit 1933, als Adolf Hitler die Mehrheit im Reichstag für sein Ermächtigungsgesetz unter anderem dadurch sicherstellte das er Abgeordnete der Opposition verhaften liess. Für mich ist die Immunitätskommission „durchmischt“ genug um zumindest bei mir nicht in Verdacht zu geraten hier einen Kollegen zu decken. Wobei mir auch lieber wäre, wenn jemand der so pauschalisierende Beleidigungen loslässt ein paar auf den Deckel bekommen würde.

  5. Frank, ein Diktator kann ein Parlament auch einfach auflösen wenn er will. Ein Immunitätsgesetz hindert ihn nicht daran, die Macht zu ergreifen. Siehe Machtergreifung Lenins. In der Nacht vom 5. zum 6. Januar 1918 wurde die von Sozialrevolutionären beherrschte Russische konstituierende Versammlung in Petrograd durch Rotgardisten mit Waffengewalt aufgelöst.

    In der Regel ist es so, dass sich Politiker mit Immunitäts- und Amnestygesetzen vor der Strafverfolgung schützen. So z.B. Berlusconi in Italien, Alfred Heer in der Schweiz und Diktatoren auf der ganzen Welt. Zum Beispiel General Pinochet.

    Fakt ist, dass das Immunitätsgesetz verfassungswidrig ist, da es gegen den Gleichstellungsartikel (BV Art. 8) der Bundesverfassung verstösst. Dieser besagt nämlich, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Da geht es nicht an, dass Angehörige der gesetzgebenden Gewalt Sonderrechte für sich in Anspruch nehmen, die ihnen Schutz vor Strafverfolgung gewähren.

  6. Du verwechselst Ursache und Wirkung: Hitler hat nicht als Diktator Abgeordnete verhaften lassen, um das Ermächtigungsgesetz durchzupauken, sondern er wurde durch das Ermächtigungsgesetz zum Diktator. Natürlich gibt es auch die Möglichkeit per Waffengewalt Parlamente aufzulösen, aber es gibt auch genug genau so durchgeführte Putsche, die erfolglos waren. Es würde nichts nützen wenn Du mit ein paar Kumpels mit Waffengewalt den Bundesrat auflöst nur um anschliessend das gesamte Schweizer Militär, die Polizei oder das Volk gegen Dich zu haben (siehe Hitlerputsch 1923, Augustputsch in Moskau 1991 und viele andere Beispiele).

    Politische Immunität hat eine sehr lange Tradition, diese Tradition hat gute Gründe, und so lange es funktionierende Kontrollorgane gibt ist das auch kein Problem. Ich persönlich habe Vertrauen in das Kontrollorgan in der Schweiz und akzeptiere die Entscheidung der Immunitätskommission auch wenn ich persönlich mir was anderes gewünscht hätte.

    Wir sind nie alle vor dem Gesetz gleich. Mit Deiner Argumentation könntest Du Polizisten verbieten im Dienst eine Waffe zu tragen bzw. müsstest Ausländern ab dem 1. Tag die volle Niederlassungsbewilligung zu geben.

  7. „Du verwechselst Ursache und Wirkung: Hitler hat nicht als Diktator Abgeordnete verhaften lassen, um das Ermächtigungsgesetz durchzupauken…“

    Habe ich denn das irgendwo geschrieben? Nicht, dass ich wüsste.

    Verstehe ich das richtig? Du willst aus „traditionellen“ Gründen an der politischen Immunität festhalten? So quasi, das machen wir jetzt so weil wir das schon immer so gemacht haben???

    Wie bitte, wir sind nicht alle vor dem Gesetz gleich? Sag mal merkst du eigentlich noch was du da schreibst?

    Repetition:
    1. Gemäss Bundesverfassung Artikel 8 sind vor dem Gesetz alle gleich.
    2. Parlamentarier, die sich an die von ihnen selbst geschaffenen Gesetze halten, müssen keine Angst vor Strafverfolgung haben. Folglich braucht es kein Immunitätsgesetz.
    3. Es ist höchst bedenklich wenn Mitglieder einer Kommission über ein Mitglied ihrer Kommission abstimmen dürfen ob dieses strafrechtlich verfolgt werden darf oder nicht. Die Legislative kann sich hier einfach durch ein von ihr eingeführtes Gesetz der Strafverfolgung durch die Exekutive und die Judikative entziehen. Wofür haben wir denn eigentlich noch eine Gewaltentrennung wenn das so gehandhabt wird? Da können wir ja gleich einen Sonnenkönig oder einen Robespierre ernennen.

    General Pinochet hat sich auch zum Senator (Ständerat) auf Lebenszeit ernannt und sich mit einem Immunitätsgesetz vor der Strafverfolgung geschützt!

  8. Als Du auf Erwähnung der Tatsache, das Hitler Abgeordnete verhaften liess um eine Mehrheit für das Ermächtigungsgesetz durchzubringen antwortetest, das ein Diktator ein Parlament auch einfach auflösen könnte fühlte ich mich veranlasst Dir zu erklären das Hitler erst durch das Ermächtigungsgesetz zum Diktator wurde.

    Das es politische Immunität gibt hat gute Gründe, und die habe ich auch bereits aufgeführt. Ich möchte Dich nur daran erinnern wie Du Dich selbst hier auf Dailytalk darüber beschwert hast das Christoph Blocher wegen seiner Rolle bei der Aufdeckung des Hildebrand-Skandals Ermittlungen der Justizbehörden drohten. Blocher stand unter Verdacht das Bankgeheimnis verletzt zu haben, das war Fakt, und die Staatsanwaltschaft musste ermitteln. Oder wäre Dir damals lieber gewesen die Immunitätskommission hätte Blocher für immun erklärt?

    Immunität soll unter anderem verhindern das Strafanzeigen zum politischen Instrument werden. Ich habe zwar Tradition erwähnt, aber ich habe auch Gründe erwähnt. Politische Immunität ist völlig in Ordnung, so lange kein Missbrauch entsteht und es funktierende Kontrollorgane gibt … und das die Immunitätskommission funktioniert bezweifle ich nicht einfach nur deshalb, weil eine Entscheidung getroffen wurde die mir nicht passt.

    Du verstehst meine Interpretation von „vor dem Gesetz sind alle gleich“ nicht: Polizisten sind nicht anzeigbar wegen Freiheitsberaubung, wenn sie jemanden verhaften, wenn Du jemanden mit Gewalt in Dein Auto bringst ist das Freiheitsberaubung. Ausländer haben nicht von Anfang an volles Niederlassungs- und Stimmrecht usw. … verschiedenste Berufs- und Menschengruppen haben aufgrund verschiedenster Umstände bestimmte Sonderrrechte, und das lässt sich nicht vermeiden.

  9. Ich wundere mich ehrlich gesagt darüber, dass du das Verhalten der Legislative in Sachen von Blocher gut findest.

    Blocher hat das Bankgeheimnis, nach allem was ich weiss, nicht verletzt. Ein ehemaliger Sarasin Angestellter hat informationen über Hildebrands Kontotransaktionen einem Anwalt namens Lei übergeben. Besagter Anwalt Lei und der Sarasin Mitarbeiter wandten sich dann an Blocher, damit dieser den Fall an den Bundesrat weitergibt. Blocher hat dies getan. Der Bundesrat als oberstes Aufsichtsgremium musste daraufhin handeln. Somit hat Blocher das Bankgeheimnis nicht verletzt. Wie die Geschichte dann an die Medien kam nachdem der Bundesrat offenbar seinen Job nicht richtig gemacht hat, bleibt offen.

    Bei Alfred Heer ist es anders. Gegen Heer lief ein Verfahren wegen Rassendiskriminierung. Dass ihm dafür von der Nationalratskommission Immunität zugeschanzt wurde, ist unverständlich. Offen ist, ob seine Beziehungen im Nationalrat da eine Rolle gespielt haben. Denn Heer ist ja immerhin Mitglied der Kommission, welche über seine Immunität entschieden hat und der Präsident dieser Kommission ist zufälligerweise auch noch ein SVP-Mitglied.

    Dein Beispiel mit der Polizei kann ich in der Tat nicht nachvollziehen. Wenn ein Polizist in einem Einsatz jemanden erschiesst, gibt es wenn ich richtig informiert bin, ein Untersuchungsverfahren und der betreffende Beamte wird unter Umständen solange vom Dienst suspendiert. Aber bei Heer gibt es eben jetzt kein Verfahren, da er ja Immunität geniesst.

    PS: Sowohl Rassendiskriminierung als auch Verletzung des Bankkundengeheimnisses ist in der Schweiz ein Offizialdelikt. Beim Vorwurf der Rassendiskriminierung darf sich ein Parlamentarier aber offenbar auf die Immunität berufen, beim Vorwurf der Verletzung des Bankkundengeheimnisses aber offenbar nicht. Naja, das liegt wohl daran, dass die SVPler in der Immunitätskommission Mühe hatten ihre Kollegen von der FDP und der CVP dazu zu bewegen Blocher zu decken. Vielleicht hatten die FDPler und CVPler in der Kommission von der Regie (Parteileitung) auch die Anweisung Blocher ans Bein zu pinkeln. Was diese Kommission entscheidet hat nichts mit Logik zu tun, es handelt sich um politische Entscheide! Umso wichtiger wäre es, dass wir endlich ein Bundesverfassungsgericht bekommen.

  10. Hat sich Jahrelang dank Immunitätsgesetz erfolgreich der Strafverfolgung entzogen:

    Augusto Pinochet

    Silvio Berlusconi und Alfred Heer haben es ihm gleichgetan. Auch sie haben sich erfolgreich der Strafverfolgung entzogen.

  11. Ich habe keine Ahnung woraus Du schliesst das ich das Verhalten der Legislative gegenüber Blocher damals gut finde oder nicht. Ich habe nur erklärt, wenn der Verdacht einer Straftat besteht muss die Staatsanwaltschaft ermitteln. Nicht mehr und nicht weniger. Aber Du hast recht, ich finde gut das die Staatsanwaltschaft bei ausreichendem Tatverdacht ermittelt, egal ob Blocher oder Müller.

    Das Du mein Beispiel mit der Polizei nicht verstehst, ist für mich nicht nachvollziehbar. NATÜRLICH gibt es für den Fall das ein Polizist im Dienst jemanden erschiesst eine Untersuchung. Ich sprach aber vom Waffentragen, das ein Polizist darf, Du aber nicht. Das Du Auto fahren darfst wenn Du einen Führerschein hast heisst ja nicht das man einen Unfall an dem Du beteiligt bist nicht untersucht.

    Das für Dich unverständlich ist das die Immunitätskommission Alfred Heer Immunität gewährt hat heisst nicht das es nicht richtig gelaufen ist. Ob Heer Mitglied der Kommission ist oder nicht (er hat nicht mit abgestimmt, sondern die Stellvertreterin), ob der Präsident SVP-Mitglied ist oder nicht (der Kommissionspräsident ist an Abstimmungsergebnisse gebunden), da bin ich einfach nicht paranoid genug um da dunkle Verschwörungen zu wittern. Warum dieselbe angeblich so SVP-lastige Kommission Heer Immunität gewährt hat, Blocher aber nicht, ist nach Deinen Ideen auch nicht zu erklären.

    Du wirst vergeblich darauf hoffen das die Schweiz als einziges Land der Erde politische Immunität aufgibt nur weil Du sauer bist das Alfred Heer nicht für das gleiche Vergehen zur Rechenschaft gezogen wird was Dir vorgeworfen wird. Politische Immunität hat wie erwähnt gute Gründe. Auch auf das Bundesverfassungsgericht würde ich an Deiner Stelle nicht hoffen, speziell nicht mit der Argumentation „Abstimmungsergebnisse berichtigen, falls der Stimmbürger die Tragweite seiner Entscheidung nicht erkennt“.

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