Schande! Gerangel um vakanten Bundesratssitz

Von Alexander Müller veröffentlicht am 13. Juni 2009 | 3.712 mal gesehen

Kaum hat Bundesrat Pascal Couchepin (FDP) angekündigt, dass er zurücktritt, hat bei den Bundesparlamentariern bereits das Gerangel um den freiwerdenden Bundesratssitz begonnen.

In der gestrigen Arena Sendung machten die Parteien klar, dass wieder mit heimtückischen und falschen Spielchen zu rechnen ist. Die SVP, welche auf einen Wähleranteil von 28.9% kommt, machte deutlich, dass ihr als wählerstärkster Partei ein Bundesratssitz zuwenig ist. Die FDP machte deutlich, dass sie dank der Fusion mit den Liberalen auf 17.7% Wähleranteil komme, somit wenige Wähler mehr als die CVP habe und daher Anspruch auf den freiwerdenden Bundesratssitz habe. Die CVP, welche seit der Abwahl von Bundesrätin Metzler verbissen um einen zweiten Bundesratssitz kämpft, meinte wiederum, dass sie mit 14.5% Wähleranteil Anrecht auf den freiwerdenden Bundesratssitz habe. Ursula Wyss von der SP gab zu verstehen, dass es auf die Kandidaten von CVP und FDP ankomme, welche von diesen Parteien die Sozialdemokraten unterstützen würden. Eine Kandidatur von den Grünen hält sie indes nicht für realistisch. Die Sozialdemokraten wollen, dass ein linksgerichteter Bundesrat gewählt wird. Am liebsten wäre ihnen vermutlich ein Christoph Darbellay (CVP), ein Urs Schwaller (CVP) oder eine Christa Markwalder (FDP) wobei diese keine Romand ist. Schliesslich meldete auch noch die 9.8% Partei der Grünen ein Anspruch auf einen Sitz an. Sogar Martin Bäumle von den Grünliberalen, einer bedeutungslosen Newcomer-Partei, meinte ein Wörtchen mitreden zu dürfen.

Einige Argumente, die bei der Zwängerei um den freiwerdenden Sitz ins Feld geführt wurden, waren besonders absurd. So meinte der Zürcher Ständerat Felix Gutzwiler (FDP), dass der freiwerdende Sitz von Couchepin ganz klar der FDP zustehe da es sich ja um eine Ersatzwahl handeln würde. Bei Ersatzwahlen sei es üblich, dass man der Partei des scheidenden Bundesrats die Vakanz überlasse. CVP-Fraktionschef Urs Schwaller entgegenete der SVP, die als wählerstärste Partei des Landes auf einem zweiten Bundesratssitz besteht, dass die SVP mit der BDP-Bundesrätin Widmer Schlumpf bereits zwei Sitze hätte und somit keinen Anspruch mehr auf einen weiteren Sitz habe. Bei solchen Aussagen muss man sich an den Kopf fassen. 2011 sind die nächsten Gesamterneuerungswahlen, die FDP’ler wollen jetzt den freiwerdenen Sitz einfach noch schnell besetzen, damit er 2011 nicht mehr so einfach in Frage gestellt werden kann. Die Aussage von Schwaller ist grotesk, denn seine Partei war massgeblich an der Wahl von Widmer-Schlumpf und damit dem Rauswurf von Christoph Blocher aus dem Bundesrat beteiligt.

In meinen Augen sind die Taktiererei bei Bundesratswahlen und das Geplänkel der Parteien einer Demokratie unwürdig. Es kann doch nicht sein, dass es in einer Demokratie das exklusive Recht einer kleinen privilegierten Gruppe (Bundesparlamentarier) ist, zu entscheiden wer Bundesrat wird und wer nicht. In einer Demokratie (=Volksherrschaft) ist es die Aufgabe des Volkes darüber zu befinden. Man darf nicht alles an Stellvertreter delegieren. Stellvertreter-Demokratien haben ihre Tücken. Man könnte das System ohne grossen Aufwand verbessern. Man müsste nur Bundesratswahlen nach dem Proporzsystem einführen. Die Parteien könnten weiterhin ihre Kandidaten aufstellen, dass Volk (und nicht die Bundesparlamentarier) würde dann aber entscheiden wer Bundesrat wird. So hätte man ein direktdemokratisches Bundesratswahlrecht und könnte dabei erst noch die Konkordanz waren. Direkt vom Volk gewählte Bundesräte dürften zudem einen grösseren Rückhalt in der Bevölkerung haben als es von Stellvertretern gewählte Bundesräte haben. Sowohl die Parteien als auch die Kandidaten müssten bei direkten Bundesratswahlen Farbe bekennen und ihre Positionen offenlegen. Dadurch wäre eine offene, transparente und ehrliche Bundesratswahl möglich. Es gäbe keine Nacht der heimtückischen langen Messer. Auch Sprengkandidaten, die von sich sagen, dass sie gar nicht gewählt werden wollen und dann trotzdem fast die Mehrheit der Stimmen erhalten oder gar gewählt werden, würde es nicht mehr geben.

Wer für direkte Bundesratswahlen ist, soll doch bitte die Gruppe für direkte Bundesratswahlen unterstützen indem er ihr als Mitglied beitritt.

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3 Gedanken zu „Schande! Gerangel um vakanten Bundesratssitz“

  1. Wenn der Bundesrat vom Volk gewählt wird, wird jeder Wahlkampf zur Werbeschlacht und der mit dem grössten Werbebudget gewinnt, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Und woher kommt das Geld? Von Unternehmen und Verbänden, die Einfluss nehmen wollen. Unabhängige oder weniger bekannte Politiker hätten dann nicht die geringste Chance und der Bundesrat würde bald zur Ein- oder Zweiparteienregierung. Dass jetzt der Wahlkampf losgeht ist doch absolut normal und auch gut so. Es soll eine Diskussion stattfinden über die Zauberformel, den Anspruch der Parteien und der einzelnen Exponenten. Herr Couchepin hat dies mit der frühzeitigen Ankündigung ermöglicht, sodass es keine Hauruck-Uebung gibt. Und was das Farbe bekennen angeht: Das tun unsere Politiker ja, was soll das Ganze also? Dass vor den Wahlen taktiert wird, ist seit der Antike üblich und absolut menschlich. Was man vielmehr dringend einmal ändern sollte, ist die Amtsdauer. 8 Jahre sind genug, dann sollten die Bundesräte wieder ins Parlament zurück oder in die Privatwirtschaft, ohne fürstliche Rente. So hätten wir Gewähr, dass nur jemand kandidiert, dem es nicht um Macht und Geld sondern um unser Land geht.

  2. Sehe ich nicht so. Die Bundesräte würden gemäss meiner Idee an den ohnehin alle vier Jahre stattfindenden Gesamterneuerungswahlen gewählt. Die Parteien würden also neben Ständerats- und Nationalratskandidaten auch gleich noch ihre Bundesratskandidaten aufstellen.

    Vorteile von direkten Bundesratswahlen:

    Direkte Bundesratswahlen sind direkt-demokratisch. Es entscheidet nicht mehr nur ein exklusiver Club von Privilegierten darüber wer in unsere Landesregierung einziehen soll.

    Ein Gerangel der Parteien mit Spielchen wie wir es heute erleben (Nacht der langen Messer, Taktikspielereien usw.) würde es nicht mehr geben. Die Parteien würden einen Wahlkampf führen wie es bei den Gesamterneuerungswahlen üblich ist. Neu würden einfach noch die Bundesratskandidaten hinzukommen.

    Die Nachfolgeregelung wäre wesentlich einfacher als heute. Wenn ein Bundesrat während seiner Amtsperiode zurücktritt (z.B. aus gesundheitlichen Gründen) würde ganz einfach derjenige Kandidat aus dessen Partei nachrücken, der am 2. meisten Stimmen erhalten hat. Er könnte dann bis zu den nächsten Gesamterneuerungswahlen das Amt übernehmen.

    Im Falle des Couchepin Rücktritts würde z.B. einfach der Kandidat der FDP-Nachrücken, der am zweitmeisten Wählerstimmen geholt hat. (Annahme, dass die FDP gemäss Konkordanz diesen Sitz zu gut hat) Es wäre wie bei Schlüer (SVP), der Ueli Maurer (SVP) in den NR nachgerückt ist als jener Bundesrat wurde.

  3. Was, wenn durch die Volkswahl ein Gremium entsteht, das sich aus Personen zusammensetzt, die sich gegenseitig überhaupt nicht ertragen können? (Es ist mir vollkommen bewusst, dass es sich dabei um eine wahnsinnig dumme Frage handelt, aber sie wird nunmal immer wieder aufgeworfen, wenn auch nicht in dieser Form, doch in diesem Sinn) – Ich meine wozu müssen sich alle so enorm gut verstehen? Müssen sie ihre Freizeit miteinander verbringen, oder gegenseitig die Enkelkinder hüten? Ich verstehe das nicht. Es sind sieben Köpfe, jeder hat eine Stimme, es bildet sich immer eine Mehrheit, rein rechnerisch gesehen (sofern sich keiner seiner Stimme vorbehält) .. Und gute Argumente sind gute Argumente, egal woher sie kommen. Ausserdem, wie ist das eigentlich? Sagt die Fraktion ihrem Bundesrat/Bundesrätin, was er/sie (um es politisch korrekt auszudrücken) für einen Standpunkt in einer gewissen Sachfrage zu vertreten hat, oder umgekehrt? Oder variiert das nach Bedarf? Gemäss: Du wäschst meine Hand, dann wasch ich Deine, Oder so?

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