Verhältnis zwischen Schweizern und Deutschen

Von Alexander Müller veröffentlicht am 13. Mai 2012 | 3.496 mal gesehen

Nachdem SVP-Nationalrätin Natalie Rickli in einer Fernsehdebatte eine umstrittene Aussage über die Zuwanderung von Deutschen gemacht hatte, wurde von den Medien eine ungeheure Debatte über das Verhältnis zwischen Deutschen und Schweizern entfacht.

Sinngemässe Aussage von Natalie Rickli in der Sendung Sonntalk vom 22.04.2012:

Nicht die Polen sind das Problem, sondern die Zuwanderung aus Deutschland. Daher sollte es auch eine Ventilklausel für unsere Nachbarn im Norden geben.

Die Aussage bezog sich auf den kurz zuvor gefällten Beschluss des Bundesrats die Ventilklausel auf die EU-Staaten Estland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechische Republik anzuwenden. Damit dürfte sich der Zustrom auf den Schweizer Arbeitsmarkt um geschätzte 4000 Personen reduzieren.  Ricklis Aussage dürfte daraufhin angespielt haben, dass der Stellenmarkt durch diese Massnahme nicht massgeblich entlastet wird, da der grösste Zustrom an Arbeitskräften aus Deutschland kommt. Folglich müsste man die Ventilklausel auch auf Länder wie Deutschland anwenden, wenn man den Stellenmarkt wirklich entlasten wollte und nicht nur Kosmetik betreiben wollte.

Die Medien haben daraus dann eine Riesengeschichte über das Verhältnis zwischen Deutschen und Schweizern gemacht, die zu einer regelrechten Hassdebatte geführt hat. Der in Deutschland lebende Schweizer Moderator Dieter Moor liess in der Folge verlauten, dass er den Schweizer Pass abgeben würde und die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen werde. Angeblich weil er sich für die „Schweizer“ schämt.

Ich finde Verallgemeinerungen wie  „die Deutschen“ bzw. die „Schweizer“ dumm. Man sollte die Sache differenziert betrachten. Es gibt in der Schweiz Leute, die sich über die hohe Nachfrage für Wohnungen und den Zustrom von preiswerten und gutqualifizierten Arbeitskräften freuen. Das sind Vermieter und Arbeitgeber. Die einen freuen sich, weil sie höhere Mieten kassieren können und die anderen weil sie Löhne drücken können. Es gibt aber auch Leute, die sich nicht so sehr über die Zuwanderung von Arbeitskräften freuen. Das sind jene Leute, die höhere Mieten bezahlen müssen und weniger Lohn erhalten oder gar arbeitslos sind. Selbstverständlich kommt es dann auch noch auf die Branchen an. Es gibt Branchen, die Mühe haben ausreichend Personal zu finden und froh über die Zuwanderung sind. Dies dürfte z.B. im Gesundheits- und teilweise im Bildungswesen der Fall sein. Dann gibt es aber wiederum Branchen, bei welchen die Zuwanderung zur Verdrängung von anderen Arbeitskräften geführt hat. So werden z.B. in der Gastronomie Arbeitskräfte aus dem Balkan durch deutsche Arbeitskräfte ersetzt. Das führt bei den Betroffenen zu Unmut.

Meiner Meinung nach haben die Medien einmal mehr komplett versagt. Anstatt differenziert aufzuzeigen welchen Ursachen vorhandener Unmut zugrunde liegt, haben sie eine unsinnige Deutschen-Hass-Debatte angezettelt. Dabei haben sie bewusst auch auf das angespannte politische Verhältnis in Sachen Steuerstreit und Luftverkehrsabkommen angespielt.

Diese Debatte ist jedoch alleine schon deshalb unsinnig weil Natalie Rickli mit ihrer Aussage letztlich lediglich ihre Meinung sagt. Es ist doch gut, wenn sich Politiker positionieren. Dann kennen die Wähler wenigstens deren Profil, was ihnen beim Wählen hilft. Ricklis Aussagen werden ohnehin nicht einfach so ohne weiteres von anderen Menschen geteilt. Kein Bürger muss Rickli wählen, wenn er ihre Meinung nicht teilt. Ich finde es völlig daneben, wenn Medien jeden Furz, den ein Politiker von sich gibt gleich zur Lancierung einer undifferenzierten Hassdebatte nutzen. Medien sollen vielmehr Ursachen ergründen und aufzeigen wo Probleme existieren.

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4 Gedanken zu „Verhältnis zwischen Schweizern und Deutschen“

  1. „Diese Debatte ist jedoch alleine schon deshalb unsinnig weil Natalie Rickli mit ihrer Aussage letztlich lediglich ihre Meinung sagt. Diese wiegt jedoch mit Sicherheit nicht mehr als die Meinung anderer mündiger Bürger. Denn Ricklis Aussagen werden nicht einfach so ohne weiteres von anderen Menschen geteilt.“ Das ist mehrfach falsch.

    1. Rickli äussert doch nicht ihre eigene Meinung als Privatperson; sie äussert sich als Politikerin im Namen des Volkes. Sie gastierte nicht als Bürgerin, sondern als Nationalrätin des Kantons Zürich im Fernsehen. Sie äusserte dort nicht ihre private Meinung; sie nimmt in SVP-Manier in Anspruch, als wählerstärkste Nationalrätin für das Volk zu sprechen. Sie sagt nie „Mich stören die Deutschen“ (was sie noch unglaubwürdiger machen würde); sie spricht immer vom Volk, von den Leuten und von den Schweizern, die sich angeblich aufregen (auch wenn Umfragen das Gegenteil belegen):
    „«Sind wir ehrlich», sagte sie also im «Sonntalk» von «Tele Züri», das zum gleichen Verlag wie die az gehört, «die Leute regen sich halt auf, weil zu viele Deutsche im Land sind.» Und weil sie sich aufregen, wäre es laut Rickli das Beste gewesen, man hätte die Ventilklausel schon vor drei Jahren aktiviert, dann hätten nicht so viele Schweizer «ihre Arbeitsplätze» an Deutsche verloren.“

    2.) Entsprechend haben entgegen Ihrer Ansicht auch nicht „die Medien komplett versagt“, weil Sie eine „unsinnige Debatte“ über das Verhältnis von Deutschen und Schweizern gestartet hätten. Rickli hat als SVP-Nationalrätin diese keineswegs neue Debatte bewusst wieder entfacht, indem sie als Volksvertreterin im Fernsehen behauptet, die Schweizer fänden, es hätte hier zu viele Deutsche. Man kann nun den Medien höchstens vorwerfen, dass sie sich wie üblich von der SVP instrumentalisieren lassen, folgte Rickli doch offensichtlich den üblichen parteipolitischen Mustern in Verfolgung des parteipolitischen Programms: zum Start des Abstimmungskampfes der Masseneinwanderungsinitiative durch gezielte Provokationen mediale Aufmerksamkeit generieren.

    3.) So ist es auch schlicht falsch, dass die Ansichten der wählerstärksten Nationalrätin nicht mehr wiegen sollen als diejenige anderer Bürger (völlig unabhängig davon, ob die Bevölkerung deren Meinung nun teilt oder nicht). Das zeigt sich nur schon daran, dass ein anderer Bürger a.) nicht in Anspruch nimmt, für das Volk zu sprechen, b.) deshalb auch nicht zur Meinungsäusserung ins Fernsehen eingeladen wird und c.) mit seiner Meinungsäusserung auch nicht einen solchen medialen Shitstorm sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz entfachen kann.

  2. Hallo Herr Muff

    Da haben Sie irgendwie noch eine alte Version von meinem Text zitiert. Ich habe diese jedoch bereits angepasst bevor Sie geantwortet haben. Geändert habe ich den Text, weil er nicht genau wiedergab, was ich sagen wollte. Er lautet nun so:

    „Diese Debatte ist jedoch alleine schon deshalb unsinnig weil Natalie Rickli mit ihrer Aussage letztlich lediglich ihre Meinung sagt. Es ist doch gut, wenn sich Politiker positionieren. Dann kennen die Wähler wenigstens deren Profil, was ihnen beim Wählen hilft. Ricklis Aussagen werden ohnehin nicht einfach so ohne weiteres von anderen Menschen geteilt. Kein Bürger muss Rickli wählen, wenn er ihre Meinung nicht teilt.“

    Die erste Fassung wiederspiegelt lediglich meine Abneigung gegen den Personenkult einiger Medien. Rickli ist eine 35 jährige Frau aus Winterthur. Zu glauben, dass Bürger einfach alles was Rickli sagt von ihr übernehmen ist grotesk.

    Die Medien haben versagt, denn dass Problem sind nicht die Deutschen sondern es gibt Probleme mit Deutschen und mit Deutschland. So muss man das sehen.

  3. Als Steinbrück mit der Kavallerie und mit einer schwarzen Liste drohte habe ich praktisch keine reaktionen in den Medien gelesen, dafür hatten unsere super Bundesräte die Hosen voll. Wenn aber zurecht eine Aeusserung einer SVP Politikerin kommt, hat das verherende folgen und die Zeitungen sind voll davon, aber eigentlich nur um der SVP ans Bein zu Pissen. Diese linken Medien schrecken nicht einmal davor ab, die ganze Schweiz in den Dreck zu ziehen.

  4. OK. Dann sieht Ihre Aussage etwas anders aus; es ändert aber an meinen ersten beiden Punkten nichts:

    1. Rickli sagt eben nicht (nur) ihre Meinung als „Natalie R. aus W. (35)“, sondern spricht als wählerstärkste Nationalrätin im bedeutendsten Kanton und SVP-Fraktionsvizepräsidentin. Es ist völlig egal, ob die Leute den Aussagen einer „Natalie R. aus W. (35)“ nun Glauben schenken und deren Meinung teilen (das tun offenbar 36 Prozent der Deutschschweizer, während die Frage in der französischen und italienischen Schweiz sowieso irrelevant ist…). Es geht darum, dass Natalie Rickli in Anspruch nimmt, im Namen der Schweizer zu sprechen, wobei sie aus ihrer „Analyse“ der Situation in der Stadt Zürich konkrete (partei-)politische Forderungen auf Landesebene ableitet: «Wir haben ein Problem mit der Masseneinwanderung. Die Personenfreizügigkeit muss darum dringend neu verhandelt werden.»

    2. Ich gebe Ihnen Recht, allerdings stammen die unangebrachten Pauschalisierungen nicht von den Medien, sondern allesamt von Rickli:
    – „Sind wir ehrlich: Die Leute regen sich halt auf, weil zu viele Deutsche im Land sind.“
    – „Die Deutschen erzeugen einen Riesendruck auf den Schweizer Arbeitsmarkt, auf die öffentliche Infrastruktur, Strassen und Schulen.“
    – „Deutsche nehmen Leuten vom Balkan die Arbeitsplätze weg.“
    – „Ich hetze nicht gegen Deutsche. Ich spreche die Problematik an, dass zu viele hier sind.“

    Rickli postuliert streng nach Parteilinie (vgl. Parteiprogramm 2011-2015) völlig undifferenziert, dass „die Ausländer“ und „die Masseneinwanderung“ Ursache fast aller Probleme seien. Sie nennt aber konsequenterweise die Hauptmasse der in den letzten Jahren eingewanderten Ausländer beim Namen: Deutsche (vgl. dazu die Angaben des Bundesamtes für Statistik:http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/07/blank/key/02/01.html). Die Medien geben ihre Aussagen bloss wieder und diskutieren sie.

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