Wenn mit Geschichte Politik gemacht wird

Von Alexander Müller veröffentlicht am 6. Dezember 2014 | 1.998 mal gesehen

Ich schaue gerne Dokumentarfilme über historische Ereignisse und habe ein überdurchschnittliches Interesse an Geschichte. Leider fallen mir, hauptsächlich bei deutschen Dokumentarfilmen über die deutsche Geschichte, immer wieder moralisch wertende Aussagen auf.

So z.B. wenn es darum geht, dass sich bestimmte Offiziere oder politische Führer im Angesicht ihrer Niederlage selber das Leben genommen haben. Da wird dann in diesen Dokumentarfilmen behauptet dieser oder jener hätte sich durch seinen Selbstmord der Verantwortung entzogen.

Das kann man zwar so sehen, man kann es aber auch anders sehen. Meiner Meinung nach entzieht sich jemand, der sich im Angesicht seiner Niederlage tötet, nicht der Verantwortung, er zieht die Konsequenzen. Andere, die das nicht getan haben, wurden anschliessend in Schauprozessen zum Tode verurteilt und hingerichtet. Das Resultat war also dasselbe. Dies mit dem Unterschied, dass jener, der sich selber tötete, sein Leben und sein Schicksal bis zum Schluss selbst in der Hand hatte und selber entschied wie und wann er aus dem Leben trat.

Auch in der früheren Geschichte der Menschheit soll es ähnliche Selbstmorde gegeben haben. So wird z.B. behauptet, dass sich auch Mark Antonius und Kleopatra im Angesicht ihrer Niederlage selber getötet haben. Inwiefern, sich diese beiden hierbei aus der Verantwortung gezogen haben sollen, ist mir schleierhaft. Sie hatten keine Verantwortung mehr, da sie alles verloren hatten.

Selbst heute noch, wollen viele Menschen ihr Leben bis zum Schluss selber in der Hand haben. Das beweisen ja die vielen Menschen, welche in die Schweiz kommen um dort mithilfe einer Sterbehilfeorganisation ihr Leben zu beenden. Auch diese Leute entziehen sich nicht der Verantwortung. Sie ziehen die Konsequenzen aus ihrer Krankheit bzw. ihrem Schicksal. Das ist nach heutigem Standard und Menschenbild ihr gutes Recht! Diese Leute sind weiter als die Regierungen ihrer Länder und deshalb müssen sie zum Sterben in die liberalere Schweiz kommen, weil Sterbehilfe in ihrer Heimat verboten ist.

Die Entlarvung der Behauptungen, jemand hätte sich im Angesicht seiner Niederlage der Verantwortung entzogen, macht deutlich, dass moralische Werturteile bzw. moralische Aussagen in historischen Dokumentarfilmen nichts verloren haben. Dies zumindest in Dokumentarfilmen, welche auf seriöser wissenschaftlicher Arbeit beruhen. Solche Dokumentarfilme sollten möglichst neutral und pragmatisch sein. Sie sollten die moralische Wertung dem Zuschauer überlassen. Die Zuschauer brauchen keinen von einem Staatsfernsehen produzierten oder vom Staat finanzierten Dokumentarfilm, der ihnen die moralische Wertung vorgibt. Wir brauchen auch keinen Georg Kreis oder einen Roger De Weck, die uns sagen, wie wir die Dinge zu sehen haben. Sie sollen uns die Dinge so präsentieren wie sie mit allen ihren Facetten sind und die Beurteilung den Betrachtern überlassen!

Das ZDF ist eine beitragsfinanzierte öffentlich-rechtliche Sendeanstalt. Auf ZDFinfo werden anlässlich des 100 jährigen Jubiläums des 1. Weltkriegs gerade  die Dokumentarfilme über die beiden Weltkriege ausgestrahlt, welche mich zum Verfassen dieses Blogartikels veranlasst haben. Konkret geht es um diesen Dokumentarfilm:

Man achte bitte im Dokumentarfilm auf die Aussage von Sönke Neitzel ab Minute 40 und 50 Sekunden bzw. ab Minute 41 und 18 Sekunden bzw. ab Minute 42 und 10 Sekunden und die darauffolgende Aussage von Stig Förster. Verärgert und zu diesem Blogartikel veranlasst, hat mich dann die leichtfertige und unredliche Aussage des Moderatoren ab Minute 43 und 5 Sekunden.

Es gab zur Zeit des zweiten Weltkriegs Menschen, die den ersten Weltkrieg mitgemacht haben. Diese Menschen wollten das, was damals geschah, nie wieder erleben. Sie sagten sich, entweder werden wir gewinnen oder sterben. Insofern ist es eine Konsequenz dieses Denkens, wenn diese Menschen sich anschliessend im Angesicht Ihrer Niederlage selber umgebracht haben. Das ging auch aus dem eben ausgestrahlten Dokumentarfilm hervor. Es nun so darzustellen, als ob sich diese Leute aus der Verantwortung gestohlen hätten, wie es im Dokumentarfilm vom Moderator dann doch leider wieder getan wird, ist moralisch wertend und unredlich.

Geschichte wurde und wird leider immer wieder politisch instrumentalisiert. Daher gibt es gerade in deutschsprachigen Dokumentarfilmen immer wieder einen moralischen Unterton. Die Vermittlung von Geschichte unterliegt dem Wandel der Zeit und das liegt nicht nur an hinzugewonnenem oder verlorengegangenem Wissen. Es liegt auch am Zeitgeist und der vorherrschenden politischen Meinung. Das muss man im Übrigen auch berücksichtigen, wenn man alte Quellen z.B. aus der Antike betrachtet. Denn schon damals wurde mit Geschichte Propaganda gemacht. So machte z.B. der Pharao Ramses II. mit seiner Version der Schlacht von Kadesch Propaganda. Seine in Stein gemeiselte Version erzählt von seinem angeblichen Sieg bei Kadesch. In Tat Wahrheit konnte Ramses II. die Stadt Kadesch nicht einnehmen und das umliegende Gebiet blieb in hethitischer Hand. Er erreichte mit seinem Feldzug also keines seiner Ziele. Wie Ramses II. angesichts dieser Tatsache von einem Sieg sprechen konnte, ist mir schleierhaft. Warum er es aber dennoch tat, ist mir klar. Ramses II. war Politiker und er hatte wahrscheinlich gute Kommunikationsberater und Marketingstrategen an seiner Seite. Jedenfalls verstand es Ramses II. den Schein zu wahren und seinem Volk seine Niederlage als Sieg zu verkaufen. Er als Gottkönig durfte ja nicht verlieren.

Die folgende Doku berichtet über eine mögliche Version der Schlacht von Kadesh, die dieser Doku zufolge unentschieden ausging, wobei der Hethiterkönig seine Infantrie, welche jener des Pharaos überlegen war, nicht einsetzte. Fakt ist, dass Ramses II. das Schlachtfeld verliess ohne die Stadt Kadesh bzw. umliegendes Gebiet erobert zu haben. Ägypten war also nicht in der Lage dieses Gebiet für Ägypten zu sichern. Der Feldzug von Ramses II. wurde von Grosskönig Muwatalli II. zurückgeschlagen.

Nachtrag vom 16.12.2014:

Leider wurde der Film Weltenbrand – Völkerschlacht Teil 3 von demjenigen, der den Film auf Youtube publiziert hat, auf Privat gesetzt. Ich sehe mich deshalb gezwungen denselben Film von einer anderen Youtube-Quelle zu beziehen. Möglicherweise wird auch diese Quelle bald zensiert. Die Zeitangaben betreffend Sönke Neitzel und Stig Förster stimmen jetzt nicht mehr. Dies, da die neue Quelle Teil 3 in Form von 3 Filmen auf Youtube hochgeladen hat. Wer sucht, der findet.

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